Florian Albrecht-Schoeck

Teil VII: Reptiloider Breakdance – Trostloses Konsumverhalten trifft Pandemie
Ich verstehe die Aggressivität, Zorn aber auch Trotzreaktionen vieler meiner Mitmenschen nicht. Vor allem aktuell in Bezug auf die weltweite Pandemie.
3. Dezember 2021

Teil VII: Reptiloider Breakdance – Trostloses Konsumverhalten trifft Pandemie

Als Künstler beobachte ich meine Umgebung und vermittle meine Gefühle, Erfahrung und Wahrnehmung mit meinen künstlerischen Mitteln. Mir macht aktuell vieles in meiner Umgebung wirklich immer mehr Sorge und Angst. Ich verstehe die Aggressivität, Zorn aber auch Trotzreaktionen vieler meiner Mitmenschen nicht. Vor allem aktuell in Bezug auf die weltweite Pandemie. Ich möchte an dieser Stelle niemanden kategorisieren, vorverurteilen, bewerten oder belehren. Ich habe aber das Gefühl, dass ein Wort wie „Impfung“ mittlerweile wie ein Trigger viele Menschen in einen völlig unreflektierten polemischen Zustand katapultiert. Wie kommt es aber dazu?

Informationskultur der bunten Bilder
Wie aussagekräftig sind eigentlich Bilddateien mit Diagrammen und Statistiken beispielsweise, die per Messanger-Diensten endlos auf Smartphones geteilt und verbreitet werden? Wer hat die Bilddatei erstellt? Welche Motivation steckt dahinter? Oftmals bestehen diese Bilder aus einfach zu verstehende Parolen, verknüpft mit simplen und primär assoziativen Bildelementen. Ich bin da vielleicht etwas antiquiert, aber sollte man Parolen und Informationen vertrauen, welche man empirisch betrachtet oftmals nicht direkt überprüfen kann? Sollte man vielleicht nicht mal generell die Frage stellen, wie man vertrauenswürdige Medien und Inhalte aus dem Internet überprüfen kann? Ich bin mir sicher, dass ich im Internet auch angebliche Fakten und Beweise für im Erdinnern lebende Reptiloiden finden werde, wenn ich nur danach suche. Breakdance tanzende Reptiloiden zu finden wird vielleicht etwas schwieriger, würde ich aber grundsätzlich nicht ausschließen. Ich vermisse Debatten zum Thema Medienkompetenzen. Auch vermisse ich Bildungsangebote in Schulen, in der junge Menschen früh eine kritische Auseinandersetzung mit Medien lernen. Und wie zuvor erwähnt, ich bin Künstler und kein Wissenschaftler oder Pädagoge, aber ich frage mich, woher all diese Wut, Zorn und Skepsis, z. B. gegenüber einer Impfung kommt. Was unterscheidet eigentlich ein Impfstoff und dessen Inhaltsstoffe etwa den Nahrungsmittelangaben auf einem Produkt in einem Supermarkt, die ich möglicherweise nur als Chemiker, Biologe oder Lebensmittelhersteller wirklich verstehen und erklären kann? Im Supermarkt vertrauen doch auch viele darauf, dass alles gut ist, oder?

Supermarkt Sortiment Beispiel
Bleiben wir mal bei einem Supermarkt: Wieviele Produkte könnte man in einem Supermarkt einkaufen, wenn man sich mit jeden Inhaltsstoff vorab auseinandersetzen würde?

Wie sieht es in den Produktionshallen etwa der Milch, Getreide oder Fleisch Industrie aus?
Was erhalten die Nutztiere für Nahrung und Medikamente oder mit welchem Pflanzenschutz Dünger werden Felder für Obst und Gemüse bearbeitet?
Was hat das für mögliche Folgen für die Konsumenten dieser Produkte?
Wie wird das alles verpackt und transportiert?
Wie werden die Menschen bezahlt, die die Nahrung produzieren?
Aus was für einem Material sind die Verpackungen hergestellt?
Die Liste könnte man problemlos fortsetzen. Was aber ist die Motivation hinter fast jedem Produkt, was schlußendlich in den Regalen liegt und darauf wartet, um von uns gekauft zu werden? Richtig: Umsatz und Gewinn. Wofür gehen die meisten Menschen arbeiten? Um Geld zu verdienen. Also Gewinn zu machen: Lebenszeit in Form von Arbeitszeit im Tausch gegen Geld als Tauschwert. Eine ziemlich simple und trostlose Angelegenheit und ein Wirtschaftssystem bei dem fast alle unkritisch seit vielen Jahren mitmachen.

Ich habe aber das Gefühl, dass sich in der aktuellen Situation weitaus mehr in dieser Gesellschaft entlädt, als nur die Skepsis einer Impfung gegenüber. Wenn man sich die Logik hinter vielen Argumenten gegen die aktuelle Covid Impfung mal anschaut, dürfte man nach vielen dort formulierten Argumenten kaum noch was in einem Supermarkt Angst frei kaufen können, oder?

Und müsste man nicht viele Themen ansprechen, die auch schon vor der Pandemie stillschweigend hingenommen wurden? Sollten wir etwa nicht über eine faire Verteilung, gerechte Bezahlung, Bildung, Gesundheitswesen und Gerechtigkeit streiten? Müssten wir uns selbst nicht kritisch hinterfragen? Ich glaube bei alledem, es geht um Angst, vor etwas, was man nicht wirklich kennt. Das steckt in uns Menschen drin. Aber warum nicht sachlich und in Ruhe reden, sich gegenseitig zuhören und auf die Wissenschaft vertrauen? Die Wissenschaft trägt im übrigen auch eine große Verantwortung und ist allgegenwärtig.

Lost in Kontext
Ich bin auch echt müde was diese Pandemie, Impfthemen angeht, und wer ist das nicht? Ich habe auch zahlreiche Anläufe unternommen diesen Blog Beitrag zu schreiben. Auch ist mir klar, dass die amtierende Regierung auch vieles nicht gut in dieser Pandemie gemacht hat, das stimmt auch. Um das aber zu wissen, benötige ich keine Personen von den politischen Rändern, die meinen, sie müssten mit aller Kraft auf den Impf-Empörungs-Zug mit aufzuspringen, und in unzähligen Videos das zu erzählen, was viele aktuell hören wollen: einfache Antworten auf komplexe Fragen. Ich glaube viele Menschen merken aktuell bewusst oder unterbewusst, dass der Kontext, in dem wir alle unser Leben bis zu dieser Pandemie zelebrierten, nicht die Sicherheit besitzt dir wir alle dachten zu besitzen.

Von Mensch zu Mensch
Aber eines noch zum Ende: Wir Menschen leben in einer selbst gebauten Konstruktion. Vom Jäger und Sammler haben wir Menschen uns bemerkenswert weiterentwickelt. Aber das, was wir zurzeit erleben ist vielleicht ein logischer Nebeneffekt einer auf Kapital fokussierten Gesellschaft, zusammen gefasst in einem Wort: Egoismus. Es ist wirklich dramatisch, es sterben Menschen Pandemie bedingt an einem Virus der von Mensch zu Mensch übertragen wird. Aber anstatt Solidarität jenseits der eigenen Komfortzone zu besitzen, vergleichen sich aufgrund der Maßnahmen wegen dem Virus, manche Menschen sogar mit Opfer der NS-Zeit. Ich finde dafür keine Worte mehr. Wenn man eines der furchtbarsten Kapitel menschlicher Historie nimmt, um es damit gleichzusetzen, weil man in seinem Wohlstand eingeschränkt wird, was stimmt in dieser Gesellschaft nicht?

Wenn man aber mal Meinungen, Parolen und Stimmungsbilder beiseite schiebt: Was bleibt dann eigentlich von jedem übrig?

Ich wünsche uns allen alles Gute.
Florian Albrecht-Schoeck

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