Florian Albrecht-Schoeck

Teil V: „Mein erstes Foto ever“
Mein erstes Digitalfoto 2014.
9. November 2021

Teil V: „Mein erstes Foto ever“

Auf der Suche nach einer Datei fand ich auf einer alten Archivfestplatte von mir den Ordner: „Mein erstes Foto ever“. Im Ordner selbst war eine einzige Jpeg Bilddatei. Laut der Metadaten habe ich das Bild Ende Juni im Jahr 2004 gegen Abend gemacht. Ich weiß, dass ich damals zu dieser Zeit in Berlin bei meinem Vater zu Besuch war. Wir saßen an einem warmen Sommerabend zusammen bei ihm im Hof. Bei dieser Gelegenheit habe ich diese Fotografie gemacht.

Meine erste Digitalkamera
Ich hatte mir zuvor meine erste Digitalkamera gekauft und hatte diese bei meinem Vater Zuhause ausprobiert. Es war eine 2.1 Megapixel Kamera mit einer 8 MB Speicherkarte. Ja, Sie haben das richtig gelesen: ACHT Megabyte. Auf so eine Karte passten damals ca. 30 oder 40 Bilder. Davon abgesehen hatte ich überhaupt keine Ahnung wie die Kamera funktionierte. Hinzu kam, dass ich auch überhaupt nicht wußte, warum ich das Bedürfnis hatte eine Kamera besitzen zu wollen. Etwas aber faszinierte mich beim Gedanken daran, mich mit einer Kamera durch die Welt zu bewegen, um dabei Momente und Orte in Fotografien für mich konservieren zu können. Technische Fragen, ob Farbe oder Schwarz Weiß, Digital- oder Analogfotografie, Blende, Verschlusszeit, Brennweite usw., all das interessiere mich damals nicht. Mir ging es von Anfang nur darum festzuhalten, was ich fühlte und empfand. Ich weiß mittlerweile natürlich wie eine Kamera als Maschine technisch funktioniert. Aber dies ist nach wie vor für mich zweitrangig. Die Technik ist für mich nur ein Mittel zum Zweck. Solange das fotografierte Motiv emotional und inhaltlich das vermittelt, was mir wichtig ist, ist mir der Rest egal. Das sieht man auch beispielsweise an meiner damaligen Art wie ich meine Schwarzweiss Negative unter einem Schlafsack entwickelte. Es ging mir auch immer um einen Prozess, an dessen Ende ein zugängliches visuelles Ergebnis zu finden war.

Mein erstes Foto: damals und heute
Damals fand ich diese Bild zwar etwas interessant, jedoch war es schlußendlich nur eine Datei für mich, wenn ich ehrlich bin. Eine Bilddatei auf der ein unscharfes und verpixeltes Bild zu sehen war. Heute ist das anders. Ich sehe einen Ort, den es so nicht mehr gibt. Mein Vater lebt dort nicht mehr. Ich denke, dass in diesem Teil der Stadt mittlerweile moderne Neubauten stehen, in denen dann überwiegend zugezogene Neu-Berliner ihre perfektes Work-Life-Balancing zelebrieren. Dieser Ort gab mir die Möglichkeit mich ein wenig vor der Welt verstecken zu können und mich sicher zu fühlen. Jeder Mensch hat seine eigene Geschichte, in meiner gibt es leider wenig Orte, Menschen und Situationen, bei denen ich mich sicher und geborgen fühle. An diesem Ort aber fühlte ich mich damals sicher, willkommen und aufgehoben.

Was übrig bleibt
Ich finde es interessant wie ein vor ca. 17 Jahren entstandenes Digitalbild trotz seiner sichtlichen Unvollkommenheit so viele Dinge in mir auslöst. Eigentlich ist es ein schönes Beispiel dafür, wozu Fotografie imstande sein kann: komplexe Themen auslösen und vermitteln, und das mit einfachen und ganz alltäglichen Dingen. Vielleicht ist das auch der Grund, warum ich seit Jahren unermüdlich mit dem Medium Fotografie arbeite. Einerseits empfinde ich für mich für einen kurzen Moment Ruhe, wenn ich durch den Kamerasucher schaue. Dabei erscheint es mir als könne ich durch den Bildausschnitt, welchen ich definiere, die Welt für einen kurzen Moment strukturieren und gleichzeitig für die Ewigkeit festhalten. Ich möchte auch gar nicht detailliert versuchen zu erklären, warum ich das so empfinde. Vielleicht ist es ab und zu auch einfach mal gut Dinge zu tun, und sie nicht bis ins kleinste Teil verstehen und zerlegen zu wollen. Für mich steht dieses unscharfe und verpixelte Bild für einen schönen Moment mit meinem Vater. Vielleicht drucke ich mir das Bild heute noch aus und rahme es mit einem Passepartout. Bevor ich es an die Wand im Wohnzimmer hänge, braucht es aber noch einen Titel. Ich denke, ich nenne es: „Vater und Sohn“.

Alles Gute.

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