Florian Albrecht-Schoeck

1. Mai – Tag der Arbeit!
Künstler Blog: Würde es nicht Sinn machen, am heutigen Tag und unter Berücksichtigung der gegenwärtigen Situation, den Begriff von Arbeit mal grundlegend zu hinterfragen?
12. Oktober 2000

Würde es nicht Sinn machen, am heutigen Tag und unter Berücksichtigung der gegenwärtigen Situation, den Begriff von Arbeit mal grundlegend zu hinterfragen? Über Arbeit reden heißt natürlich auch über Geld zu sprechen. Und ganz ehrlich, Geld hat doch schon lange nichts mehr mit einem realistischen Tauschwert für Güter oder einer fairer Entlohnung für erbrachte Arbeitszeit zu tun! Jedoch dominieren Zahlen, welche ununterbrochen von Konto zu Konto geschoben werden nahezu unser aller Existenz!

Grundlegend verstehe ich ja um was es geht! Nur ganz im Ernst, mir kann doch keiner erklären das International agierende Unternehmen, Banken und Konzerne, nach ein paar Wochen Lockdown finanziell scheinbar vor dem Ruin stehen. Regelmäßig werden stellenweise Milliarden Euro an Gewinnen und Umsätzen eingefahren. Von den Auszahlungen an Aktionären und Vorstandsmitgliedern mal ganz zu schweigen geht alles nach knapp sechs Wochen dann den Bach runter?

Bei der Bundesliga zum Beispiel, hat sich jemand mal angeschaut, was da „normalerweise“ pro Saison an Geldern fließen, National und International? Es kann doch nicht sein das Vereine nach ein paar Wochen, drohen Pleite zu gehen! Von der mehr als moralisch fragwürdigen Entscheidung mit Geisterspielen die Maschine am laufen zu halten, da stimmt doch was in der Realwirtschaft generell doch grundlegend nicht. Kaum ist der kontinuierliche Cashflow unterbrochen, bricht alles wie ein Kartenhaus langsam zusammen oder was? Aber wo ist das ganze Geld? Gibt es so etwas wie ein Anfang? Und wo ist das Ende wenn es einen Anfang gibt? Oder ist alles dezentralisiert, jenseits menschlicher Wahrnehmungskraft „irgendwie“ in Bewegung? Kann mir das mal bitte ein Ökonomen oder Bänker erklären?

Aber bitte ohne das Märchen bzw. die Illusion vom ewigen Wachstum, der Unsichtbaren Hand bzw. den selbstregulierende Märkten – das hat sich doch schon längst fertig erzählt! Das Eigentlich sogar doch schon seit der Finanzkrise 2008, aber egal, the show must go on!

Und so wächst die Sehnsucht vieler Menschen, zu einer Vor-Pandemie-Zeit immer größer. Sie wünschen sich ihrem sogenannten „Alltag“ zurück. Anstatt die Zeit als Chance zu sehen, empfinden es viele als unheimliches Vakuum. Sie werden mit sich selbst konfrontiert und ihrem bisherigen Leben. Kein Konsum, kein getakteter Tagesablauf, nur sie selbst und ihre nächsten Mitmenschen. Das ist doch traurig, dass viele dies eher negativ wahrnehmen, statt es als Chance zu verstehen. Und allein die Tatsache, dass diese Situation mit vielen Existenzängsten verknüpft wird, zeigt doch auf dass in unserem Zusammenleben vieles falsch läuft. Auch wie sehr man daran verbissen festhält eine Fußballsaison oder ein Schuljahr „fertig“ zu bringen, ist erschreckend. Es ist doch egal, ob jemand sein Abi ein Jahr später macht, oder es einmal keinen Bundesliga Meister gibt.

Ganz ehrlich, wollt ihr wirklich in einen Alltag zurück in dem in unserer Gesellschaft das Gefälle zwischen „haben“ und „nicht haben“ immer größer wird? das Bildungs-, Sozial- und Gesundheitssystem kontinuierlich abgebaut wird? Menschen die auf einmal als systemrelevant beklatscht werden die normalerweise sehr schlecht bezahlt werden? Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern existieren? und so weiter … die Liste ist lang. Erwähnen sollte man noch das für die temporäre Interessen der Wirtschaft die Umwelt für die kommenden Genration zerstört wird. Aber ey, wenn kümmert es schon, the Show must go on!

Mich schockiert zur Zeit jedoch, wie manche Politiker etablierter Parteien, in den Medien mal forsch mal nett die Botschaft verbreiten: das Leben und die Gesundheit sind Wichtig, aber nicht zu jedem Preis. Sind sich die Leute, die solche Thesen öffentlich artikulieren ihrer moralischen fragwürdigen Aussagen eigentlich bewusst? Sie stellen das „Leben“ einem „Preis“ gleich. Es ist zwar nicht verwunderlich das Menschen, die ein neoliberales System bisher immer propagiert, gefördert und gelebt haben zu solchen Aussagen und Gedanken tendieren, aber ich empfinde es als zutiefst schockierend und Inhuman.

Es scheint mir irgendwie wie eine Schockstrategie, die man eher aus der populistischen Ecke kennt: man sagt das Unsagbare immer wieder. Viele werden schockiert sein, aber viele werden sich daran auch schnell schon gewöhnen. Sollen wir uns wirklich jetzt daran gewöhnen, dass alte und schwache Menschen unserer Gesellschaft ihrem Schicksal überlassen werden, damit der Finanzkapitalismus endlich wieder richtig läuft, und wir unseren mehr als fragwürdigen Alltag wieder haben? Einen Alltag in dem einige wenige Menschen immer reicher werden, und sich die überwiegende Mehrheit um die übriggebliebene Reste streiten kann?

Ich frage mal ganz direkt: Ist die Menschheit und ihre gewählten politischen Vertreter wirklich so unkreativ um aus der Not der aktuellen Situation eine möglichst positive Zukunftsperspektive zu konstruieren? Utopien für den Start wären doch schon mal ein Anfang. Diskussionsplattformen seriöser Medien gibt es zu genüge.

Hand aufs Herz, alles was uns umgibt, haben wir selbst konstruiert. Daher können wir alles auch zu etwas besserem verändern, oder wollen wir die Show weiter laufen lassen? Mit allen Mitteln, wenn nötig auch wenn Menschen dafür mit dem Leben bezahlen müssen?
Danke fürs lesen und nachdenken, vielleicht!

Florian Albrecht-Schoeck

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