Florian Albrecht-Schoeck

Teil I: Die Verantwortungslosigkeit der Verantwortlichen in der „Politik“
Teil I: Die Verantwortungslosigkeit der Verantwortlichen in der „Politik“ von Florian Albrecht-Schoeck
18. August 2021

Teil I: Die Verantwortungslosigkeit der Verantwortlichen in der „Politik“

Zum Warm-up eine generelle Frage: Was ist das Aufgabengebiet einer demokratisch gewählten Person in einem politischen Amt?
Kurz gesagt: Sie muss Entscheidungen treffen.
Nach einer getroffenen Entscheidung gibt es oftmals folgende Resultate: Sie war richtig und man freut sich darüber oder sie war falsch. Das klingt an sich simpel und einleuchtend.
Wenn eine Entscheidung nun aber falsch war, wäre es doch logisch, dass die Person, die einen Fehler gemacht hat, die Größe innehätte, dies einzuräumen und zu erklären, oder? Ganz wichtig, dies ohne dabei mit dem Finger auf Andere zu zeigen, wenn es um die Frage nach Verantwortung geht. Es ist inzwischen jedoch Alltag in der Politik geworden, alles von sich zuweisen, selbst die Themen, die man selbst zu verantworten hat.

Den die Frage nach der Verantwortung wird meist in wässrigen Worthülsen, Eingeständnissen und Fehleranalysen in Pressekonferenzen artikuliert, so das der Anschein erweckt wird, dass der Fehler kein Fehler im Sinne eines Fehlers ist und daher kein Fehler sein kann, für den man Verantwortung tragen müsste. Das Ganze wird dann ein paar Tage oder Wochen ausgesessen, bis die nächste Sau medial betrachtet durchs Dorf getrieben wird. Man kann beobachten, wie Politiker*innen für gewisse Zeiträume aus der medialen Aufmerksamkeit sich zurückziehen, um dann nach einer gewissen Zeit so zu tun, als wäre nichts gewesen. Wenn man sich überlegt, für was Politiker*innen in der Vergangenheit ihre Posten nieder gelegt haben, erscheint das, im Gegensatz zu aktuellen Themen wie ein Kindergarten, aber woran liegt das? Haben wir uns kollektiv an diese Form von Politik gewöhnt? Warum sind wir nicht pausenlos empört über das, was im politischen Alltag scheinbar Status quo ist?

Ein paar Themenbeispiele zur Erinnerung, inklusive zugehöriger Bundesämter:

Bundesaußenministerium – Entscheidungen zur Evakuierung von Menschen aus Afghanistan
Bundesministerium für Gesundheit – Beschaffung von Masken/Schutzkleidung für klinisches Personal und Impfstoff.
Bundesverkehrsministerium –  Pkw Maut
Bundesfinanzministerium – wie war das mit Wirecard noch mal?
Oder was ist eigentlich mit den Politiker*innen, die sich fürstlich durch Maskendeals vergütet lassen haben?
Die Liste könnte man problemlos weiterführen, denke ich.

Wer übernimmt die Verantwortung für all das, was passiert? Es ist doch nicht so, dass diese Dinge außerhalb von Verantwortungsbereichen geschehen. Gerade in Deutschland, wo es für alles Mögliche einen Katalog voller definierter Regeln und Gesetze gibt!

Für mich fühlt es sich ein wenig so an, als würden Kontrahenten bei einer Partie Schach, Non-Stop-Rochade spielen: Man versetzt den eigenen Turm und König gleichzeitig Runde für Runde hin und her. Man bewegt sich nicht vorwärts, riskiert dabei nichts und bleibt immer auf der gleichen Linie stehen! Dass man aber nur einmal Rochade im gesamten Spiel anwenden darf, wissen die Zuschauer nicht, es wird ihnen auch Keiner der beiden Spieler vermitteln. Auch wissen die Zuschauer nicht, dass eine Rochade nicht mehr möglich ist, wenn man zuvor Schach gesetzt wurde bzw. gefahr lief Schach mattgesetzt zu werden!

Ich mach hier modellhafte Verdeutlichungen von Verhaltensweisen. Im Kern aber geht es um politische Entscheidung, in den es um die Gesundheit, das Wohlergehen bzw. das Leben von Menschen geht. Es handelt sich hier nicht um belanglose Entscheidungen, Politik ist wichtig, und sie muss transparent und ehrlich sein. Vor allem muss sie streitbar sein, Fehler machen können ist wichtig, aber man muss sie dann auch benennen und nicht bei der besten Möglichkeit mit dem Finger auf andere zeigen, um von sich abzulenken.

Der kultivierte Streit mit Worten und Argumenten, basierend auf Fakten, ist ein wichtiger Baustein, auf dem unsere Gesellschaft aufbaut. Was ist das für ein Bild für die Bevölkerung, wenn demokratisch gewählte Personen nicht mehr die Verantwortung dafür übernehmen wofür sie gewählt wurden? Wenn das Vertrauen in die Politik verloren geht, was dann?

Einen Vorgeschmack, wo die Reise hingeht, kann man bei diesen ganzen realitätsfernen Verschwörungstheorien erhalten. Es ist wie im Mittelalter nur mit Internet: Jeder sitzt in seiner eigenen Burg und beansprucht von dort aus die ganze Welt für sich, fernab dessen, was außerhalb der eigenen Mauern wirklich ist. Jeder sieht nur sich. So kann sicher keine vielfältige Gesellschaft auf Dauer funktionieren.

Was ist eigentlich schief gegangen, wenn Menschen in einem reichen und privilegierten, westlichen Land während einer Pandemie ein Impfangebot als Diktatur wahrnehmen? Spinner wird es immer geben, das war schon immer so. Aber während Menschen in Afghanistan um ihr Leben und ihre Freiheit nun fürchten müssen, werden zeitgleich in Deutschland die Vergleiche zu 2015 für den Wahlkampf heraus gekramt. Das ist ekelhaft, inhuman und abstoßend. Wer jetzt als Politiker Afghanistan noch für ein sicheres Abschiebe-Land hält, hat die Welt immer noch nicht verstanden.
Ich möchte auch auf keinen Fall hier Wahlwerbung machen, aber waren es nicht die Grünen, die am 23.6.2021 im Bundestag den Antrag stellten, Menschen aus Afghanistan schnell und unbürokratisch nach Deutschland in Sicherheit zu bringen? Und was haben die CDU und SPD gemacht? Mehr muss man dazu eigentlich nicht sagen. Aber wie muss sich das für einen Bundestagsabgeordneten anfühlen wenn er weiß, dass die Menschen denen er die Hilfe verneinte, jetzt in Lebensgefahr sind. Was wird hier für Wählerstimmen geopfert?

Als abstoßend empfinde ich auch, wie gerade in gut konstituierten Kreisen nun Menschen in ihren Wohlstandsoasen sitzen, und am fernen Himmel sehen, wie sich hinter ihrer Fata Morgana des Glücks, die dunkeln Wolken der ungerechten Welt aufziehen. Um diesen Anblick des Leides und der Realität nicht länger ertragen zu müssen, werden vermutlich viele wieder ihr Wahlkreuz bei der kommenden Bundestagswahl bei konservativen und rechten Parteien machen, damit das eigene Glück ja nicht durch die Realität der Welt aus den Fugen gerät!

Hauptsache schön am Samstag wieder im Garten grillen, Fußball gucken, billige Impfgegner Parolen in der eigenen Social-Media-Bubble teilen, Masken tragen mit Folter gleichsetzen, eine Tablette für den Cholesterinspiegel mit einem kalten Bier runterkippen und dabei schön das Leben genießen!

Vielen Dank!

Beste Grüße,
Florian Albrecht-Schoeck

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